Das gab‘s noch nie: Der frisch gekürte Buchpreisträger Sasa Stanisic („Herkunft“) hat bei seiner Dankesrede den ebenfalls frisch gekürten Literaturnobelpreisträger Peter Handke heftig angegriffen. Die Entscheidung aus Stockholm habe ihm die Freude über den Deutschen Buchpreis „vermiest“, bekannte der 41-Jähre.
Handkes Fehltritt
Stanisic stammt aus Bosnien, und Handke hatte in den 1990er Jahren für Serbien und Slobodan Milosevic Partei ergriffen, ja sogar am Grab des Diktators ein paar Tränchen vergossen. „Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt“, sagte Stanisic, der 1992 nach Deutschland floh. „Dass ich hier heute vor Ihnen stehen draf, habe ich einer Wirklichkeit zu verdanken, die sich dieser Mensch nicht angeeignet hat.“
Tatsächlich hat sich Handke, der als langhaariger Rebell begonnen hat und sich aktuell als kauziger Guru mit einer Vorliebe für Pilze inszeniert, mit seiner Parteinahme für Serbien selbst an den Rand der Gesellschaft manövriert.
Der Außenseiter als Literat
Ein Außenseiter war der heute 77-Jährige immer, aber auch ein außergewöhnlicher Literat. „Ich bräuchte einen kritischen Freund; und da ich keinen habe, bin ich mir das selber“, hat er einmal gesagt. Mehr Freunde hat ihm der Literaturnobelpreis nicht beschert, wohl aber jede Menge Kritik.
Ein Lob der Grenzüberschreitung
Das ist bei Olga Tokarcuzuk, der großen Dame der polnischen Gegenwartsliteratur anders. Sie erhält den Literatur-Nobelpreis für das Jahr 2018, in dem die Schwedische Akademie mehr mit den eigenen Skandalen als mit der Vergabe von Preisen zu tun hatte. Doch ein Neustart ist die Vergabe des Preises gleich an zwei Europäer wohl eher nicht. Ein Mann und eine Frau, ein 77-jähriger Österreicher und eine 57-jährige Polin. Nichts gegen Olga Tokarczuk, die auch schon den Man Booker Preis erhalten hat und „mit erzählerischer Imagination und mit enzyklopischer Leidenschaft das Überschreiten von Grenzen als eine Lebensform darstellt“, so die Jury.
Aber wegweisend für eine neue Zukunft des Literatur-Nobelpreises sind beide Kandidaten nicht. Schade.