Die ersten Gedichte schrieb sie mit 13. Bis sie den Literaturnobelpreis bekommen sollte, musste Louise Glück noch 64 Jahre warten. Die in New York geborene Poetin veröffentlichte seit 1968 Gedichtbände. Den Pulitzer Preis hat sie dafür schon erhalten. Nun also auch den Literaturnobelpreis. In Deutschland ist Louise Glück noch kaum bekannt. Nur zwei ihrer Gedichtbände liegen bisher auf Deutsch vor. Übersetzt hat sie die Lyrikerin und Schriftstellerin Ulrike Draesner : "Wilde Iris" und "Averno". Ganz unumstrittern ist der Preis an die Lyrikerin nicht. In der Süddeutschen Zeitung ätzt Thomas Lehmkuhl: "Die literarischen Werte, das muss man wieder einmal so sehen, wurden mit dieser Preisentscheidung mit Füßen getreten." Denn blättere man in "Wilde Iris", herrsche allerorten höchster Kitschalarm: "depressiv ja, aber doch leidenschaftlich/ dem lebendigen Baum zugetan, mein Körper/ sogar in den gespaltenen Stamm geschmiegt, beinah friedvoll, im Abendregen/ beinah fähig zu fühlen,/ wie Saft schäumt und steigt." Manch einem steige da die Galle hoch, meint Lehmkuhl abschließend. Dagegen schreibt der Literaturprofessor Carlos Spoerhase in der Zeit: "Wenn die Gedichte Glücks also immer wieder existenzielle Einsamkeit umkreisen, so verstehen sie sich als Gefährten aller einsamen Leser: In dem von Ulrike Draesner übersetzten Gedicht "Oktober" fährt das lyrische Ich "U-Bahn mit meinem kleinen Buch, / wie um mich zu verteidigen gegen / eben diese Welt: / du bist nicht allein, / sagte das Gedicht / im finsteren Tunnel". Die Versicherung "du bist nicht allein" lasse das Gedichtbuch zum Begleiter der Einsamen werden, glaubt Spoerhase: Die darin enthaltenen Gestaltungen der finsteren Trauer gäben laut Glück der "Verwüstung eine Form". "Ist dieses hartnäckige Anschreiben gegen die "formlose Dunkelheit" der Trauer erbaulicher Kitsch?", fragt der Kritiker, und antwortet: "Vielleicht für Leser mit einer an der kritischen Ästhetik geschulten Perspektive auf Literatur, die gegen eine Verschwisterung vermeintlich unkritischer Leser mit der Stimme im Gedicht opponiert. Verarmt aber nicht unser Gebrauch von Literatur, wenn wir nur auf Lektüren setzen, die souverän ästhetische Distanz walten lassen und auf Leser herabschauen, die ihre drängendsten seelischen Nöte im Gedicht reflektiert sehen?"