Denis Scheck hätte den Buchpreis gern bei Jan Faktor für „Trottel“ gesehen. Die Jury hat sich anders entschieden, aber die Entscheidung kam in diesen Zeiten, in denen viel über Gender diskutiert wird, nicht ganz überraschend. Mit Kim de l‘Horizon hat erstmals eine non-binäre Person den Deutschen Buchpreis erhalten – für den Roman „Blutbuch“. Es sei nicht ganz einfach gewesen, sich auf einen Roman zu einigen, gestand die Jury-Vorsitzende bei der Preisverleihung.
Kleine Sensation bei der Preisverleihung
De l‘Horizon reagierte überrascht und dankte erstmal seiner Mutter. Statt einer vorbereiteten Rede gab es ein Lied „Nightcall“ über eine Transitionsgeschichte. Was dann geschah, war eine kleine Sensation bei der Buchpreis-Verleihung. De l‘Horizon rasierte sich unter dem Beifall des Publikums die Haare ab – aus Solidarität mit den Frauen im Iran.
Weder Mann noch Frau
Dass sich Kim de l'Horizon weder als Mann noch als Frau sieht, prägt auch den Roman, der im DuMont-Verlag erschienen ist. „Mit einer enormen kreativen Energie sucht die nonbinäre Erzählfigur in Kim de l'Horizons Roman nach einer eigenen Sprache“, urteilt die Jury. „Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich den herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht?“
Kim de l'Horizon lässt die eigene Biografie bewusst im Vagen: Im Klappentext heißt es: „geboren 2666“. Laut Börsenverein wurde Kim de l'Horizon 1992 bei Bern in der Schweiz geboren, studierte Germanistik, Film- und Theaterwissenschaften in Zürich sowie Literarisches Schreiben in Biel. Der Debütroman „Blutbuch“ war zuvor bereits mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung ausgezeichnet worden.
Glaube an Empathie
„Blutbuch“ erzähle zwar auch die eigene Geschichte, so de l‘Horizon. Darin fänden sich aber auch viele Geschichten wieder, auch fiktionalisierte. Ein weiteres zentrales Motiv in dem Buch sei der Glaube an die Empathie. Anders als häufig behauptet, könnten Menschen nicht nur mit einem begrenzen und bekannten Kreis Menschen emphatisch sein: „Ich glaube, Empathie ist magisch, ist für alles möglich“ - auch gegenüber Tieren, aber auch der Natur und Pflanzen, wie der im Buch beschriebenen Blutbuche.
Trost für Denis Scheck: Jan Faktor hatte schon vor der Buchpreis-Verleihung den hochdotierten Wilhelm-Raabe-Preis bekommen.